Diese Begriffe kennt mittlerweile (fast) jedes Kind, müssten also wohl nicht erläutert werden. Gleichwohl (beliebtes Wort bei Richtern II. Instanz) ein paar erklärende Ausführungen, obwohl im Wikipedia – Zeitalter solche überflüssig sein dürften. Gestehen muß ich dabei, dass ich unter starken Kürzungen bei google abgekupfert habe, wo ich unter „analog“ zunächst auf einen Aufsatz von Wolf-Dieter Roth vom 09.03.2005 mit der Überschrift „Analog – Digital – sch...egal, Hauptsache TV-Gucken wird illegal“ gestoßen bin. So einfach wollen wir es uns nicht machen.
Analog ist ein Lehnwort aus dem Griechischen. Αναλογία = Ähnlichkeit.
Digital ist ein Lehnwort aus dem Lateinischen. Digitus = Finger.
Das Wort „Analogie“ wird in verschiedenen Fakultäten mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht, z.B. in Rhetorik, Biologie, Rechtswissenschaft, Philosophie und Sprachwissenschaft, wobei die Theologie sogar eine eigene Analogielehre entwickelt hat.
Für die Zeitmessung wurden analoge und digitale Uhren entwickelt, der Unterschied dürfte in der Zeitanzeige liegen. Analog - Uhren zeichnen mittels Zeigern, digital – Uhren mittels Zahlenfolgen die Zeit an.
Das scheint zu bedeuten, dass sich analog – Uhren ähneln. Es gibt quadratische, rechteckige, runde, ovale, mit arabischen Zahlen, mit römischen Ziffern, meine hat 11 Striche und rechts in der Mitte die Datumsangabe; ähnlich? na ja! Alle haben einen oder mehrere Zeiger, wobei ich schon welche gesehen habe, bei denen der Zeiger ein Punkt ist, aber er zeigt.
Was hat aber die digitale Zeitanzeige mit einem Finger zu tun? Zugegeben, man hat in der Regel zwei Zeigefinger, Zeiger haben aber wie schon dargestellt die analog – Uhren. Die alten Weltsprachen, aus denen unsere beiden Lehnwörtern stammen, können nicht weiter helfen, weil sie keine digitalen Zeitaufzeichnungen kannten, im übrigen die analogen Aufzeichnungen der Sonnenuhren höchst vergänglich waren.
Versuchen wir’s mit modernen Weltsprachen. Englisch digit = Finger. Scheint wieder nicht zu helfen, weil wir da wieder bei den Zeigefingern landen könnten. Oder vielleicht doch? Bedenkt man, dass eine der am häufigst benutzen Rechenarten das Zählen mit den Fingern sein dürfte, kann man schon einen Zusammenhang zwischen digit(al) und Zahlenfolge herstellen.
Was haben diese Überlegungen aber mit unserem Fachgebiet zu tun?
Auch bei den Gerichten ist der Einzug des technischen Fortschritts nicht aufzuhalten. Auch dort gibt es technische Aufzeichnungen, z.B. bei den per Telefax eingehenden Schriftsätzen. Hier wird eine Uhrzeit aufgedruckt, und zwar digital. Gerade da erscheint der gravierende Unterschied zwischen beiden Aufzeichnungsarten.
Analoge Zeitaufzeichnungen beginnen immer mit 1, nämlich der ersten Sekunde, der ersten Minute oder der ersten Stunde, sie enden immer mit 12, in meiner Kindheit gab es noch Uhren mit dem Hinweis, dass der Tag 24 Stunden hat. Über der 1 stand die 13, über der 2 die 14 bis über der 12 die 24. Eine Null kennen analog - Uhren nicht.
Anders jedoch digitale Zeitaufzeichnungen. Die beginnen mit 00.00 und enden mit 24.00. An so etwas kommt ein Jurist natürlich nicht beschäftigungslos vorbei.
Man sollte meinen, dass die digital aufgezeichnete Zeitperiode „Tag“ mit 00.00 Uhr beginnt und mit 24.00 Uhr endet. Der Bundesgerichtshof (BGH) jedenfalls scheint auch diese Auffassung zu vertreten, wobei er aber meint, 24.00 Uhr heute ist im naturwissenschaftlichen Sinn identisch mit 00.00 Uhr morgen (Urteil vom 08.05.2007 Aktenzeichen VI ZB 74/06).
Dann folgt der Beweis, dass die Juristerei eben keine Naturwissenschaft ist, sondern eine Geisteswissenschaft. Hier scheint zwar 24.00 Uhr heute auch identisch zu sein mit 00.00 Uhr morgen, 24.00 Uhr ist aber nicht mehr heute, weil um 24.00 Uhr heute um ist, eigentlich also schon morgen ist.
Dies prüft und bejaht unser höchstes Zivilgericht im Zusammenhang mit einer Fristberechnung. Bekanntlich laufen Fristen am Ende des Tages ab, an dem die Frist endet.
Unter Bezugnahme auf frühere eigene Entscheidungen (24.01.2000 – II ZR 268/98; 24.07.2003 – VII ZB 8/03) sowie auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung Band 52 Seite 207 und Band 102 Seite 295) führt der BGH aus, dass die Frist nur eingehalten ist, wenn der Frist wahrende Schriftsatz bis zu Ablauf des letzten Tages der Frist, also bis 24.00 bei Gericht eingegangen ist. Dieser Satz gefällt den Richtern des BGH so gut, dass sie ihn leicht umformuliert mit den gleichen Fundstellen gerade noch einmal wiederholen. Begründet wird dieser schöne Satz unter erneuter Bezugnahme auf die gleichen Entscheidungen damit, dass der Frist wahrende Schriftsatz vor Beginn des Folgetages 00.00 Uhr eingegangen sein muß. Weil zwischen 24.00 Uhr heute und 00.00 Uhr morgen keine, auch keine logische Sekunde existiert, muß also der Frist wahrende Schriftsatz vor Ablauf von 23.59 Uhr bei Gericht eingegangen sein. Wörtlich: „Das bedeutet aber, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23.59 Uhr hätte angeben müssen.“ (... um die Wahrung der Frist zu dokumentieren).
Hoppla. Die Aufzeichnung 23.59 Uhr kann m.E. vieles bedeuten, z.B. in diesem Moment beginnt die letzte Minute von heute zu laufen, bis zum Ablauf von heute dauert es noch 60 Sekunden, oder die letzte Minute von heute ist bereits 59 Sekunden alt, bis zum Ablauf von heute dauert es noch 1 Sekunde oder irgend einen Zeitraum dazwischen. Wenn heute aber noch 60 oder weniger Sekunden dauert, kann heute aber noch nicht abgelaufen sein. Kann aber eine Frist, die heute endet, schon abgelaufen sein, wenn heute noch nicht abgelaufen ist?
Schwierig, schwierig. Könnte man nicht dabei bleiben, dass 24.00 noch heute ist? Dafür spricht auch, dass die Aufzeichnung 00.00 Uhr wohl doch auch nur besagt, dass morgen gerade erst beginnt, also die erst Minute von morgen am Anfang noch 60 Sekunden vor sich hat. Konsequenter Weise müsste man sagen, dass 00.00 Uhr noch nicht morgen ist, weil morgen ja erst um 00.01 Uhr begonnen hat. Das wiederum würde bedeuten, dass 00.00 Uhr und 24.00 Uhr überhaut keine Zeit anzeigen, weil beide ohnehin naturwissenschaftlisch identisch sind und weil beide werder heute noch morgen sind, also dazwischen liegen.
Alle moderne Verfassungen verlangen faire Verfahren. Diese Fairness darf nicht überlagert werden von der verzweifelten Suche, mit wenig Aufwand eine Akte vom Tisch zu wischen.